Zwei schwule Cowboys und der Mythos vom liberalen Amerika
Sicherlich wird der ein oder andere von Ihnen auch die letzte Nacht vor dem Fernseher verbracht haben, um live die Golden Globes aus L.A. zu verfolgen. Und auch wenn ich etwas geknickt war, dass „Matchpoint“ so ganz und gar leer ausgegangen ist , so jubelte ich doch innerlich mit Reese Witherspoon und Joaquim Phoenix. Beide durften einen Golden Globe für die beste Hauptrolle in dem großartigen Film „Walk the Line“ entgegen nehmen.
Doch der wahre Globe-Regen ging in diesem Jahr über Ang Lees Drama „Brokeback Mountain“ nieder. Die Geschichte zweier schwuler Cowboys zu Beginn der 60er Jahre – in den Hauptrollen Heath Ledger und Jake Gyllenhaal. Eine wunderbare Liebesgeschichte, die natürlich auch das ein oder andere Klischee des Wilden Westens über den Haufen wirft.
Und: An der konservativen Seele der USA kratzt!
4 Golden Globes für einen Film, den es fast nicht gegeben hätte. Viele Jahre musste Regisseur Ang Lee in Hollywood Klinken putzen gehen, um für dieses sensible Thema grünes Licht zu bekommen. Und auch nach Fertigstellung des Films, können sich die Bewohner liberaler Großstädte in den USA glücklich schätzen diesen Film sehen zu können – denn in weiten Teilen der Vereinigten Staaten von Amerika ist das nicht möglich.
Wie bitte, werden sie jetzt sagen? Nicht möglich? Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten? Tja, falsch gedacht!
Homosexualität ist in weiten Teilen des Landes noch ein absolutres Tabu-Thema, für Oral-Verkehr kann man im mittleren Westen und Teilen der Südstaaten vor Gericht gestellt werden, und an meiner damaligen High School in Kansas wäre jeder Bio Lehrer hochkannt wegen Gotteslästerung von der Schule geflogen, wenn er uns geleert hätte dass vor Millionen von Jahren Dinosaurier unseren Planeten bevölkert haben – und nicht Gott die Welt in 6 Tagen erschuf. Von der Schule geflogen wäre ich auch um ein Haar: Wegen Aufstachelung zu vorehelichem Sex! Ich muß zugeben, dass hört sich weit aus cooler an als es ist (auch wenn ich den Verweis natürlich aufbewahrt habe J ). Zusammen mit einer Schülerinitiative gegen Teenager-Schwangerschaften hatten wir am Morgen vor Schulbeginn jedem Schüler ein Kondom in die Hand gedrückt. Zu viel des Guten für die Einwohner von Wichita. Und das obwohl meiner Schule ein eigener Kindergarten angegliedert war, in dem ausschließlich Kinder von High-School Schülern betreut wurden. Kam ein Junge zu Besuch, musste die Zimmertür einen Spalt offen bleiben, und im TV liefen zum damaligen Zeitpunkt regelrechte Protestsendungen weil es der Privatsender HBO gewagt hatte die „durch und durch schlechte und verdorbene, europäische Produktion Tutti Frutti“ einzukaufen.
Lang her werden sie sagen – mitnichten: Noch heute liegt der Playboy in dickes Packpapier verpackt an der Kasse, so dass das Titelbild nicht sichtbar ist. Noch heute wird an einem Großteil der Schulen in den USA die Existenz des Neandertalers verschwiegen, und werden Filme wie „Brokeback Mountain“ dem Publikum vorenthalten.
Ob die Globes auch so ausgegangen wären wenn es kein Preis der „Hollywood Foreign Press“ wäre? Wohl kaum… Zum Glück sind wir in Europa ein großes Stück weiter. Elton John darf groß Hochzeit feiern, ein George Michael muß sich nicht (mehr) verstecken, Schauspieler Rupert Everett kann offen zu sich stehen ohne Angst zu haben in England keine Rollen mehr zu bekommen (so wie in Hollywood)…und wir können uns tolle Filme wie „Brokeback Mountain“ ansehen wann immer wir wollen. Ist das nicht toll?
eure nova