Viertel Vor – 10/1999 – "Grosse Schwester – Nova aus Bravo TV"

Grosse Schwester – Nova aus Bravo TV

Text: Götz Leinweber

Die Moderatorin beim Urgestein der Teenie-Musik „Bravo-TV“ ist in Ahlen im Münsterland geboren: Jahrgang 1973, sehr quirlig, redet viel und schnell. Bei ihrer Geburtsanzeige entschieden sich die Eltern für den Text „Erste Liveshow 25.12.1973: Nova Meierhenrich“ und schufen somit eine nahezu prophetische Vision. Eben diese Eltern zeigen sich auch verantwortlich für die Wahl des Vornamens, der neben den Namen der Brüder Ole, Golo und Sören gar nicht mehr so ungewöhnlich wirkt – wenn man ihn sich, in Kombination mit dem Nachnamen, erst zehn- zwanzig mal auf der Zunge zergehen läßt.

„Harald kam dann hinterher zu mir…“
Im März war Nova nach Peer Augustinski bei Harald Schmidt zu Gast und durfte frei von sich erzählen. Obwohl „der Harald“ schon viel braver geworden ist, steht es immer noch in seinen unvergleichlichen Möglichkeiten, jemanden richtig doof aussehen zu lassen. Davor haben alle Angst. Bei Nova war er nett und kam hinterher auch noch mal extra zu ihr, um ein Lob auszusprechen: Sie dürfte gerne wiederkommen, und er sähe bei der jetzigen Welle des Erfolges schwarz für den Abschluß ihres Studiums. Das ist schon etwas aus dem Mund, der sonst für Studentinnen nur den Witz übrig hat: „Ist schon gut, wenn die Mädels noch ein wenig Germanistik studieren, bevor sie dann heiraten.“

„Auch wenn ich jetzt nun mal ausseh´ wie 17, ich bin es nun mal nicht“
Seit November ist Nova zusammen mit Florian Walberg und Kerstin Kramer bei „Bravo TV“ unter Vertrag. Sie hat sich dort im Laufe des Jahres fest etabliert und ist nun das Gesicht der Sendung geworden.
„Ich plan so ungern, in den letzten 2 Jahren hat sich mein Leben jeden Tag geändert. Ich liebe, was ich tue und hoffe, das noch weiter zu machen.“ Bei „Bravo TV“ hat sie einen Jahresvertrag mit Option auf Verlängerung. Bisher wurden die Moderatoren jährlich gewechselt, sie aber läßt es langsam auf sich zukommen und ist guter Dinge. Überhaupt zeichnet Nova eine gute Bodenhaftung aus. Sie sieht zu, daß sie ihre Ansprüche nicht zu hoch schraubt und keine Verpflichtungen eingeht, die sie nur durch langfristig gesicherte Verträge erfüllen könnte. „Wenn ich einmal vor der Kamera verschwinde, weil mein Gesicht niemand mehr sehen will, dann arbeite ich halt dahinter.“

Ein bißchen Bilderbuch, ein bißchen Tellerwäscherin
Ihr Werdegang: mit 18 raus von zu Haus, dann Kommunikationswissenschaft, Psychologie und Soziologie studieren. Immer selbst finanziert: durch kellnern (im Sommer auf Sylt), im Kino Popcorn und bei Ikea Kindermöbel verkaufen, schließlich Praktika und die Arbeit in einer Werbeagentur, die das Studium nicht allzu sehr beeinträchtigte. Daher die Begeisterung für TV und Medien. Das erste Casting, bei dem sie für die Jugendsendung „Was Ihr Wollt“ direkt als Moderatorin genommen wurde, war an der Uni ausgeschrieben. Das Studium hat sie in 8 Semestern durchgezogen – nur wartet es jetzt auf seinen Abschluß. „Die Jobberei hat mir zu schätzen geholfen, was ich jetzt habe.“

„Die denken, du bist im Fernsehen und damit bist du reich, dabei stimmt das ja gar nicht“
„Ich hasse eine stille Wohnung“, sagt Nova – entweder läuft die Musik oder der Fernseher (und der steht im Wohnzimmer). Nova ist Computerfan, jeden Tag verbringt sie mindestens 1 Stunde im Netz und kommuniziert auf allerlei Weisen mit allerlei Leuten und das nicht erst seit gestern, sondern schon seit 5 Jahren. So, und durch den Versuch alle Briefe zu beantworten, hält sie den Kontakt zu ihren Fans. Auch in ihrer Wohnung wird sie oft von autogrammhungrigen Verehrer-Innen aufgesucht. Die wollen wissen, was sie toll findet, oder wen sie bei der Band XY am liebsten mag. Oder sie wollen Tips für ihre eigene Karriere à la „Wie wird man so wie du bist?“. Einmal stand eine 12jährige heulend in der Tür und schmolz bei dem Anblick ihres Vorbildes nur so dahin: „Die hab ich dann erst mal in den Arm genommen und ihr gesagt: Ich putz mein Klo auch selbst und mit Treppenhausputzen bin ich heute dran.“ Obwohl sie in den Briefen viel Lob für ihr Sosein bekommt, hat die Popularität auch negative Seiten: In die Öffentlichkeit kann sie sich nur noch eingeschränkt wagen. Weiterhin stellen sich langsam auch die unangenehmen Fans ein „Die schicken dir Unterwäsche, die du dann tragen sollst“. Oder sie belauern und beschleichen sie: Ich habe dich heute beobachtet – und das an Plätzen, bei denen du weißt, daß das stimmt. Und dann bist du allein und es klingelt um drei Uhr nachts das Telefon oder an der Tür. Das ist Horror.“ Parasoziale Interaktion am Beispiel vom Jugendfernsehen.
So lautet das Thema der geplanten Magisterarbeit, die, neben mündlichen und schriftlichen Prüfungen, Novas letzter Schritt auf dem Weg in die erlauchten akademischen Kreise wäre. Parasozial ist so exotisch wie parapsychisch: Es geht um Beziehungen, die zwischen Moderator und Zuschauer entstehen, ohne daß sie Kontakt miteinander haben. Ihren Studienschwerpunkt hat sie auf Bereiche gelegt, die sie besonders interessieren: Medienforschung, Marketing und Werbekommunikation. Mit den Nebenfächern Psychologie und Soziologie hat sie – ihrer Meinung nach – genau die richtige Mischung gewählt. „Im ersten Semester haben wir gelernt: Man kann nicht nicht kommunizieren.“

„Man muß auch erst mal lernen, jeder muß lernen. Man wird nicht als Profi geboren“
„Bravo TV“ heißt Minimum drei Tage die Woche hart arbeiten. Gekoppelt mit den Extras – Sonderberichte und Interviews – findet man kaum Zeit für sich selbst. Nova hat seit 3 Jahren keinen Urlaub gemacht. Hat sie die Nase voll, ruft sie ihre beste Freundin an und heult ins Telefon. „Du bist den ganzen Tag mit Leuten zusammen, bist ständig von Menschen umgeben. Abends hängst du dann in deinem Hotelzimmer und mußt das mit dir alleine ausmachen. Das ist echt schwerer als man denkt.“
Die Tatsache, daß sich Erfolgreiche gerne mit Erfolgreichen umgeben erklärt Nova damit, daß man von diesen Verständnis für die Anstrengungen des Jobs erwarten kann. Die Naivität einiger Branchenfremden kann schon verletzen. Deshalb legt Nova wert auf wahre Freunde, die zusammen mit ihr in den letzten Jahren in die neue Berufswelt hineingewachsen sind und hat es nie bereut.: “Du mußt es lieben, sonst geht dir etwas ab, denn man gibt eine Menge auf“. Ihre Vorgängerin Heike Makatsch bewundert sie für ihren Wandel „Heike hat nach Einstellung ihrer Show hart daran gearbeitet, das Girlieimage loszuwerden und auch in anderen Bereichen Fuß gefaßt. Ich finde sie klasse. Ich mag ihre Art zu moderieren und zu schauspielern“. Die Alpträume des Jobs sehen zum Beispiel so aus: Bei der Bravo-Super- Show in der KölnArena fällt die Technik aus. Pur sind gerade auf der Bühne und Nova muß spontan mit dem Sänger zehn Minuten überbrücken. Das ist auch für einen Profi nicht ohne. Aber natürlich hat der Job auch angenehme Seiten, so zum Beispiel das Interview mit Carry Ann Moss und Keanu Reeves zum Filmstart von Matrix („there is no spoon“). Von Keanu hat sie als 16jährige geträumt, und das lange Warten wurde belohnt: Nur den neu gewachsenen Bart hätte er sich sparen können.

„Ich versuche, in der Sendung so zu sein, wie ich bin. Ich bin kein Girlie; ich flipp gern mal aus, aber ich bin nun mal 25 und keine 16“
Das, was Nova zur Zeit tut, macht ihr einen Heidenspaß und in der artifiziellen „Bravo Welt“ fühlt sie sich pudelwohl. Die Sendung gibt ihr die Möglichkeit, ständig neue, interessante Menschen zu treffen und die Welt zu sehen. Durch ihre redaktionelle Tätigkeit ist Nova weit mehr als eine Moderatorenpuppe. Sie recherchiert die Interviews, stellt die Fragen selber zusammen, bereitet Texte gemeinsam mit der Redaktion vor und schafft sich so die Freiheit, ihre eigene Meinung in die Sendung miteinfließen zu lassen.
Es bleiben trotzdem viele Wünsche offen. Das Studium beenden. Ein Interview mit Drew Barrymore, deren Buch „little girl lost“ Nova früher verschlungen hat. Die Karriere von Drew möchte sie nicht nachvollziehen (dazu ist es ja auch schon zu spät), aber ein ähnliches Selbstbewußtsein möchte sie schon entwickeln. „Ich hoffe, daß ich nie in die Verlegenheit komme, mich selbst vergewaltigen zu müssen, um irgendeinen Job zu erfüllen. Ich hoffe, daß ich ich bleibe.“